6b Latein, Bräuer
2020/21
Das antike Theater

Herzlich willkommen zum Exkurs

Das antike Theater

Liebe 6b,

an vielen Orten in Europa gibt es noch Reste antiker Theaterbauten, auch hier in Mainz. Wie aber ist es überhaupt zur Entwicklung solcher Bauten gekommen? Ich habe hier einige Informationen zum Thema für euch zusammengestellt, damit ihr euch einen Überblick darüber verschaffen könnt. Die Darstellung ist keineswegs erschöpfend; ich hoffe, es ist mir gelungen, das richtige Maß zwischen Übersichtlichkeit und Ausführlichkeit zu finden.

Bitte beachtet noch die Hinweise.
Viel Spaß!

Miriam Bräuer

Hinweise …

… zur Benutzung

Die Entwicklung der Theaterbauten ist eng verbunden mit der Entwicklung des dramatischen Spiels im alten Griechenland. Es ist daher sinnvoll, mit dem Abschnitt »Tragödie und Komödie« zu beginnen.

Die Ansicht ist nicht für mobile Geräte optimiert. Bittet vielleicht eure Eltern darum, ihren Computer benutzen zu dürfen. (Eventuell interessieren sie sich ja auch für das antike Theater?)
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… zu externen Links

Externe Links sind mit einem gekennzeichnet. Wo ich Links zu externen Websites gesetzt habe, ist das natürlich in der Annahme geschehen, dass es euch nützt. Ich weise allerdings ausdrücklich darauf hin, dass allein die Betreiber dieser Websites für deren Inhalt verantwortlich sind. Ich habe keinen Einfluss darauf. Wenn ihr also feststellt, dass das, was dort zu sehen oder zu lesen ist, nichts mit dem Thema hier zu tun hat oder sogar schädlich ist, sagt mir bitte Bescheid, damit ich die Links entfernen kann.

… zu Bildern

Ich habe mich bemüht, nur eigene Fotos zu verwenden, was mir auch weitgehend gelungen ist. Lediglich in einem Fall ging das nicht; dort ist ein Link zum Original und zur Lizenz angeführt.

… zu Audio- und Videomaterial

Für die Beispiele im Abschnitt »Musik« habe ich externe Links zu Videos gesetzt. Nur in einem Fall schien es mir geraten, ein Stück selbst einzusingen. Dieses ist also nicht mein Werk, sondern nur meine Interpretation eines schon bestehenden Arrangements.

… zur Fachliteratur

Gewiss fragt ihr euch, woher ich das, was ich euch hier präsentiere, überhaupt weiß. Nun, ich habe mich damals während meines Studiums eingehend mit dem antiken Theater beschäftigt und dazu natürlich Fachlexika und andere Fachbücher konsultiert. Gern hätte ich mein Wissen auch in der Universitätsbibliothek auf den allerneuesten Stand gebracht, aber das ist zur Zeit leider nicht so einfach. Die Hilfsmittel, die ich als Grundlage für meine Darstellung hier benutzt habe, findet ihr im Literaturverzeichnis aufgelistet. Dort sind auch die extern verlinkten Videos und Websites aufgeführt. Im Unterricht gebe ich euch gern eine Empfehlung, welche Bücher ihr jetzt schon lesen könnt und welche wir in unserer Schulbibliothek haben.

Literatur


Nachschlagewerke:

Cancik, Hubert/Schneider, Helmuth (Hrsgg.): Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Stuttgart 1996–2010.

Andresen, Carl u. a. (Hrsgg.): Lexikon der Alten Welt, Zürich/Stuttgart 1965.
(Das Lexikon ist schon etwas älter und nicht nur für Fachleute konzipiert, aber für eine Erstinformation gelegentlich nützlich. Ich habe aus dem Artikel »Theater« von K. G. Kachler die Idee aufgegriffen, das griechische und das römische Theater ebenfalls in einer verbundenen Zeichnung nebeneinander schematisch darzustellen.)


Übrige Literatur:

Bieber, Margarete: The History of the Greek and Roman Theater, 2. ed., rev. and enl., Princeton 1961.

Blume, Horst-Dieter: Einführung in das antike Theaterwesen, Darmstadt 1984.

Latacz, Joachim: Einführung in die griechische Tragödie, Göttingen 1993.


Online-Medien:

Armand D’Angour. (14.12.2017). Rediscovering Ancient Greek Music - Official HD Version [Video]. YouTube.
https://www.youtube.com/watch?v=Dc97mwbbMds (zuletzt besucht am 09.04.2021).

Gregorio Paniagua - Thema. (29.03.2020). Anakrousis - Orestes Stasimo [Video]. YouTube.
https://www.youtube.com/watch?v=YUPGpX_X2tA (zuletzt besucht am 09.04.2021).

Gregorio Paniagua - Thema. (29.03.2020). Terencio Hecyra 861 [Video]. YouTube.
https://www.youtube.com/watch?v=RdEl7m2gG9Q&list=OLAK5uy_mAYtfwtjkljkTXkitWkXoi09dvZAYCo7g&index=19 (zuletzt besucht am 09.04.2021).

Lalupa. (20.10.2007). Mosaik aus der Casa del Poeta Tragico in Pompeji [Bild]. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:MAN_mosaici_da_Pompei_attori_1040619.JPG". Wikimedia Commons. Lizenz: CC BY-SA 3.0. (zuletzt besucht am 09.04.2021).

Hagel, Stefan. (08.08.2012). Ancient Greek Music.
https://www.oeaw.ac.at/kal/agm/ (zuletzt besucht am 09.04.2021).

Rupprecht, Gerd/Gogräfe, Rüdiger/Mikler, Hubertus/Beckmann, Heike. (2014). Theatrum. (Internetprojekt bei der Direktion Landesarchäologie Mainz). https://www.theatrum.de/home.html (zuletzt besucht am 09.04.2021).

Theaterbauten

Rechts seht ihr die schematische Darstellung eines antiken griechischen Theaters. Das griechische Wort Théatron ➤ bedeutet eigentlich »Zuschauerraum«. Ursprünglich haben die Leute vielleicht nur irgendwo gestanden, um zuzuschauen, aber man weiß, dass schon Holzgerüste speziell für Zuschauer errichtet wurden, als die Aufführungen der Chorlieder oder Tragödien noch auf der Agorá (d. h. dem »Marktplatz«) in Athen stattfanden. Man weiß nämlich auch, dass diese Holzgerüste einmal zusammenbrachen, weil sie die Last der Zuschauer nicht mehr tragen konnten. Möglicherweise war das ein Grund dafür, dass der südöstliche Hang der Akropolis, wo sich das Dionysosheiligtum befand, als Ort für die Aufführungen gewählt wurde. Die Zuschauer haben zunächst vielleicht einfach an diesem Hang Platz genommen, aber auch hier hat man sicher bald Holzplanken zum Sitzen verlegt oder ein Gerüst gebaut, und zwar für jedes Dionysosfest aufs Neue. Eigentlich ist also das Theater zunächst gar kein fester Bau gewesen. Das Théatron des Dionysostheaters in Athen beispielsweise ist – wie übrigens auch alle anderen Teile dieser Anlage – erst um 330 v. Chr. in Stein errichtet worden. Dass man die Volksversammlungen dorthin verlegt hat, weil der alte Versammlungsplatz auf der Pnyx (das ist ein Hügel in Athen) zu klein geworden war, ist sicher mit ein Grund dafür gewesen: Das Theater wurde ja dann sehr viel öfter genutzt, so dass sich der Aufwand lohnte. Das Théatron wird auch Koílon genannt, was so viel wie »Aushöhlung« oder »Hohlraum« heißt, und der ebenfalls gebräuchliche lateinische Begriff Cavea bedeutet genau dasselbe.

Es ist übrigens ganz charakteristisch für griechische Theater, in einen Hang hineingebaut zu sein. Damit die steinernen Sitzreihen dort, wo sie gegebenenfalls aus dem natürlichen Hang herausragten, nicht einstürzen konnten, musste man stabile Stützmauern errichten, die sogenannten Analémmata ➤ (Sg. Análemma). Den Begriff Análemma kann man in diesem Zusammenhang wörtlich etwa mit »Aufrechthalte-Vorrichtung« wiedergeben.

Als den ältesten Teil des griechischen Theaters muss man im Grunde die Orchéstra ➤ betrachten. Orchéstra bedeutet »Tanzplatz«. Hier sang und tanzte also der Chor, und auch die Schauspieler agierten zunächst dort. Das Théatron umschließt die Orchéstra meist mehr als zur Hälfte, was typisch für ein griechisches Theater ist. Man sieht es heute noch recht gut, wenn man sich die Reste der Theaterbauten ansieht. Dabei braucht man nicht einmal einen Grundriss zu betrachten: Auf diesem Bild vom Theater in Messene sieht man beispielsweise deutlich, dass die Analémmata sich nicht in einer Linie befinden, das Théatron also mehr als einen Halbkreis beschreibt. Früher hat man angenommen, dass die Orchéstra und damit auch das Théatron von Anfang an eine kreisrunde Form gehabt hätten, aber es gibt ein bereits um 500 v. Chr. in Stein erbautes Theater in Thorikós in Attika, das eher langgezogen ist, etwa wie ein halbes Fußballstadion. Das beweist, dass die Form zunächst keine Rolle spielte, aber je größer das Theater ist, desto besser sieht und hört man natürlich, wenn die Zuschauerränge an einer kreisrunden Form orientiert sind.

Das Théatron wurde durch Klímakes ➤ (Sg. Klímax), d. h. »Treppen« in sogenannte Kerkídes ➤ (Sg. Kerkís), d. h. »Keile« unterteilt, und ein Umgang, das Diázoma ➤, teilte es in zwei Ränge (je nach Größe des Theaters waren es vielleicht auch zwei Diazómata und somit drei Ränge). Es gab übrigens auch Ehrenplätze für die Priester und andere hohe Gäste. Weil sie sich überwiegend in der vordersten Reihe befanden, nennt man die Gesamtheit dieser Sitze Prohedrie ➤, das heißt etwa »Vordersitz« oder »Vorne-sitz-Bereich«. Die Sitze waren auch etwas aufwendiger gestaltet und hatten sogar Lehnen, was man im Dionysostheater in Athen auch heute noch gut sehen kann.

Ursprünglich befand sich an der offenen Seite des Théatrons, wo sich im modernen Theater die Bühne befindet, nichts. Doch im Laufe der Zeit wurden die Dramen vor einem Hintergrund, also einer gemalten Kulisse gespielt. Diese war kein bleibendes Bauelement, worauf auch der Begriff dafür hindeutet: Skené ➤ heißt »Zelt«. Um einen Hintergrund für das Stück und dem Schauspieler eine Möglichkeit zum Kostümwechsel zu bieten, reichte das zunächst. Also wurde die Skené im Dionysostheater in Athen jedes Mal neu errichtet, wenn Dramen aufgeführt wurden, bis man, wie oben schon erwähnt wurde, die ganze Theateranlage in einen festen, steinernen Bau verwandelte. Dieser Bau war kunstvoll gestaltet und hatte – zumindest in Athen – an den Seiten zwei vorspringende Gebäudeteile, die Paraskénia ➤ (Sg. Paraskénion), also die »Seiten-Skenen«. Vermutlich gab es wenig später in manchen Theatern vor der Skené auch schon eine nur leicht erhöhte Bühne, auf der gespielt wurde, d. h. wo die Schauspieler ihren Text sprachen. Daher nennt man diesen Teil des Baus Logeíon, also »Sprech-Ort«. Eine andere Bezeichnung ist Proskénion ➤, d. h. »Bereich vor der Skené«. Das Proskénion wurde bald immer weiter erhöht, so dass auch das gesamte Bühnengebäude mit der Zeit immer höher wurde. Übrigens weisen die Bühnengebäude, die ein solches Proskénion haben, in der Regel keine Paraskénia auf. Überhaupt konnte die Skené in jedem Theater anders aussehen. Daher ist sie in der Zeichnung rechts auch nur als schlichtes Rechteck angedeutet. Die Skené konnte sogar mit speziellen Vorrichtungen, z. B. einem Kran (gr. Géranos) ausgestattet sein, mit dessen Hilfe man Personen schweben lassen konnte. Über weitere Möglichkeiten, die ein solches Bühnengebäude bot, könnte man noch viel sagen. Vielleicht kommen wir darüber noch einmal ins Gespräch.

Die Párodoi ➤ (Sg. Párodos), wörtlich übersetzt »Vorbei-Wege«, waren ursprünglich keine Bauelemente des Theaters, sondern einfach nur der freie Platz zwischen dem Théatron und der Skené. Diese Durchgänge hat man aber wohl recht bald auch mit Toren versehen, die das Théatron und das Bühnengebäude miteinander verbanden. Solche Párodos-Tore sind im Theater in Epidauros noch zu sehen: Obwohl von der Skené nur noch Reste erhalten sind, erkennt man auf dem Bild, wie das Párodos-Tor sie mit dem Théatron verbindet. Es war übrigens nicht egal, durch welche Párodos die Charaktere im Theaterstück die Orchéstra betraten. Man konnte als Zuschauer sofort erkennen, woher eine Person kommen sollte: Jemand, der vom Hafen oder aus der Stadt (von der Agorá, also dem Marktplatz) kam, musste durch die vom Zuschauer aus gesehen rechte Párodos kommen. Aus der anderen Richtung kamen Fremde über Land. Das alles hing allein mit den Gegebenheiten in Athen zusammen, wo die Agorá und der Hafen nordwestlich des Dionysostheaters lagen. Diese Funktion der Párodoi hat man für alle anderen Theater einfach übernommen.

Die Form des Theaters mit einer hohen Bühne und einer Verbindung von Théatron und Skené ist das, was die Römer kennenlernten und selbst weiterentwickelten, daher ist ein römisches Theater auch immer ein geschlossener Bau. Das Théatron geht nicht über den Halbkreis hinaus, und die Parodoi sind nicht mehr einfach Durchgänge, sondern feste Bauelemente. Römische Theater zeichnen sich außerdem dadurch aus, dass sie für gewöhnlich freistehende Gebäude sind, also nicht an einen Hang gebaut. Hier könnt ihr euch die Unterschiede ➤ zwischen dem griechischen und dem römischen Theater anschauen: Die linke Hälfte der schematische Darstellung zeigt, welche baulichen Veränderungen die Römer an dem hier ebenfalls als Schema gezeichneten griechischen Theater vermutlich vorgenommen hätten. Man sieht, dass der Bau geschlossen und der Zuschauerraum auf einen Halbkreis verkleinert wurde. Die Párodoi wurden als solche wohl nicht mehr beim Theaterspiel genutzt; die Bühne hatte ja stark an Bedeutung gewonnen und war gegenüber der Orchestra erhöht. Die Schauspieler betraten sie durch Türen in der Skené. Die umgebauten Eingänge dienten nur noch dem Einlass der Zuschauer (oder vielleicht als Zugang für Gladiatoren, falls das Theater für derartige Darbietungen genutzt wurde) und führten unter den Rängen hindurch in die Orchéstra, die nun nicht mehr kreisrund war. Wie solch ein überwölbter Zugang zum Theater aussehen kann, ist auf dem Bild des Theaters in Syrakus zu sehen.

In Rom wurden erst spät Theater aus Stein gebaut. Einige antike Autoren wissen dazu Interessantes zu berichten, darunter auch der römische Geschichtsschreiber Livius:

Cum locatum a censoribus theatrum exstrueretur, P. Cornelio Nasica auctore tamquam inutile et nociturum publicis moribus ex S. C. destructum est populusque aliquamdiu stans ludos spectauit. (Liv. per. 48)

»Als sich ein Theater – in Auftrag gegeben von den Zensoren – im Bau befand, wurde es, weil es angeblich unnütz und der Erwartung nach schädlich für das allgemeine sittliche Verhalten war, auf Veranlassung von Publius Cornelius Nasica per Senatsbeschluss abgerissen, und die Bevölkerung schaute (Theater)spiele für einige Zeit im Stehen an.« (Übersetzung: Miriam Bräuer)

Das war etwa 100 Jahre, bevor dann tatsächlich in Rom erstmals ein steinernes Theater errichtet wurde, das man nach seinem Erbauer Pompeiustheater nennt. Es wurde 55 v. Chr. eingeweiht.

Bald bauten die Römer vielerorts Theater, auch in den Kolonien und so eben auch hier in Mainz. Von unserem Theater hier in der Stadt ist der Unterbau der Cavea noch gut zu sehen. Das Bühnengebäude hat sich aber dort befunden, wo heute der Südbahnhof ist. Der Grundriss der Skené ist auf den Bahnsteigen durch gelbe Pflastersteine angedeutet. Wenn nicht viele Leute dort sind und die Sicht verdecken, kann man sich gut vorstellen, wo es einmal war.

Sicher ist euch aufgefallen, dass viele Begriffe aus dem Bereich des Theaterbaus auch heute noch bei uns Verwendung finden. Warum wir »Theater« sagen, könnt ihr bestimmt erklären. Was ist aber mit »Orchester« oder »Szene«? Könnt ihr das auch erklären?

Wenn ihr euch für die Theater an verschiedenen Orten interessiert, findet ihr Informationen dazu auf der Website www.theatrum.de bei der Direktion Landesarchäologie Mainz. Ihr habt jetzt das nötige Grundwissen dafür, euch sinnvoll mit den Daten dort zu beschäftigen.

Tragödie und Komödie

Zu Ehren des Gottes Dionysos wurden im alten Griechenland religiöse Feiern veranstaltet, bei denen ein Chor sang und dazu tanzte. Der Dichter Thespis aus Athen soll 534 v. Chr. am Dionysosfest dem Chor noch einen Mann gegenübergestellt haben, der mit ihm eine Art Unterhaltung führen konnte; diese Person nannte man daher Hypokrités, was auf Deutsch etwa »Antworter« bedeutet. Wir übersetzen das Wort normalerweise mit »Schauspieler«. Für den Schauspieler haben sich vermutlich bald gesprochene Partien für den Vortrag entwickelt.

Das Konzept bewährte sich offenbar, denn der Dichter Aischylos führte bald den zweiten Schauspieler ein und sein jüngerer »Kollege« Sophokles einen dritten, so dass neben dem Chor nun bis zu drei Figuren miteinander agieren konnten. So etwas wie kleinere Statistenrollen hat es daneben aber auch gegeben. Dabei verkörperte ein Schauspieler nicht nur eine einzige Figur im Stück. Unter Umständen musste er sich, während die anderen beiden Schauspieler gerade agierten, schnell umziehen und dann als eine ganz andere Figur auftreten.

Die Erfindung des ersten Schauspielers gilt als Geburtsstunde der griechischen Tragödie. Worauf genau die Bezeichnung »Tragödie«, die von Trágos (dt. »Bock«) und Odé (dt. »Gesang«) kommt, Bezug nimmt, ist nicht ganz sicher. Dass der Begriff als »Gesang der Böcke« zu deuten ist, dürfte aber recht wahrscheinlich sein. Dann könnte er darauf zurückgehen, dass ursprünglich als Böcke verkleidete Sänger bei einer kultischen Handlung mitgewirkt haben.

Die Entstehung der griechischen Komödie ist für uns noch weniger nachvollziehbar als die der Tragödie. In allen Einzelheiten konnten es die Forscher noch nicht klären, aber der Begriff Komödie steht wohl in Verbindung mit dem Wort Kómos, d. h. »Umzug«. Umzüge, bei denen Männer ausgelassen und singend umherzogen, gab es auch außerhalb des Dionysoskults, ab dem 6. Jh. v. Chr. war ein solcher Kómos, bei dem die umherschwärmenden Männer Spottverse sangen, aber ganz sicher Bestandteil des Dionysosfestes. So heißt Komödie vermutlich ursprünglich so viel wie »Kómos-Gesang« (von Kómos und Odé).

Auch das Chorlied zu Ehren des Dionysos, den Dithýrambos, sang man weiterhin an jedem Dionysosfest. Alle Darbietungen, also Dithýrambos, Tragödie und Komödie fanden jeweils im Rahmen eines Wettbewerbs (gr. Agón) statt. An den großen Dionysien, dem am längsten dauernden Dionysosfest, traten je zehn Männer- und Knabenchöre, drei Tragödiendichter und fünf Komödiendichter gegeneinander an. Die Tragödiendichter reichten nicht nur eine einzige Tragödie ein, sondern eine Tetralogie, also eine Reihe von vier Stücken: eine Trilogie, d. h. drei Tragödien, die inhaltlich miteinander verbunden waren, gefolgt von einem Satyrspiel, in dem die ernsten Themen der Tragödie in erheiternder Art aufgegriffen wurden. (Satyrn sind Mischwesen, die wie Menschen mit Pferdeohren und -schweif aussehen und allerlei Unsinn treiben.) Kampfrichter, die, um Neutralität zu gewährleisten, ausgelost wurden, mussten den Sieger ermitteln. Besonders über Inhalt und Aufbau der Tragödie und Komödie wäre noch viel zu sagen. Das würde hier allerdings den Rahmen sprengen, weil das Thema einfach zu umfangreich ist. Wir sollten uns aber bei Gelegenheit im Unterricht einmal darüber unterhalten.

Tragödien und Komödien gehören zu den frühesten Literaturformen, die es in Rom gab. Man hat sie nach griechischem Vorbild geschaffen. Lediglich bei der Komödie spielen vermutlich auch lokale Einflüsse eine Rolle; es hatte nämlich auch in Italien schon bestimmte Formen des komischen Spiels gegeben. Während die Komödie in Rom also sehr beliebt war und eine Weiterentwicklung erfuhr, verlor die Tragödie dort recht schnell an Bedeutung, vielleicht weil der religiöse Kontext, in dem sie sich in Griechenland überhaupt entwickeln konnte, in dieser Form in Rom nicht gegeben war.

Musik

Die Musik der Antike ist nicht so leicht für uns greifbar. Natürlich gab es damals wie heute verschiedene Schlag-, Blas- und Saiteninstrumente und natürlich den Gesang. Auf zwei Instrumente möchte ich hier näher eingehen: Den Aulós und die Kithára. Beim Aulós handelt es sich um ein Blasinstrument, genauer gesagt um ein Doppelrohrblattinstrument. Das bedeutet, die Luft, die man hineinbläst, versetzt zwei flache Stücke aus Schilfrohr in Schwingung, und so wird der Ton erzeugt. Ein Doppelrohrblattinstrument im heutigen Sinfonieorchester ist etwa die Oboe. In der Regel wurden in der Antike zwei Auloí (das ist der Plural von Aulós) gleichzeitig gespielt; damit hatte der Musiker natürlich mehr Möglichkeiten, sich auszudrücken. Auch in unserem Schulgebäude gibt es eine Abbildung von einem Doppelaulosspieler. Wisst ihr, wo?

Die Kithára ist ein Saiteninstrument, das natürlich einen Klangkörper besitzt, über dem Saiten gespannt sind. Diese wurden mit der rechten Hand mit einem kleinen, an einem Ende abgeflachten Stäbchen, dem Pléktron (latinisiert: Plektrum) angeschlagen; zusätzlich konnte man sie mit den Fingern der linken Hand anschlagen oder dämpfen. Unser Wort »Gitarre« leitet sich letztlich von »Kithára« her, und wer von euch Gitarre spielt, dem kommt sicher auch der Begriff »Plektrum« bekannt vor.

Wenn ihr Bilder von Nachbauten solcher Instrumente sehen und Klangbeispiele anhören wollt, schaut am besten auf der Website Ancient Greek Music nach. Hier hat ein Forscher aus Österreich, Stefan Hagel, interessantes Material bereitgestellt. (Es ist dort alles in englischer Sprache gehalten, aber das ist hoffentlich kein großes Problem.) Eine Darstellung der beiden Instrumente findet sich übrigens auch auf Reliefs am Staatstheater Mainz : Hier ist auf der einen Seite eine Kitharaspielerin dargestellt und auf der anderen Seite ein Aulosspieler.

Wie man mit den Instrumenten umgeht, das lässt sich gegebenenfalls noch Bildern entnehmen. Aber woher weiß man, wie die Melodien im alten Griechenland geklungen haben? Man bräuchte dafür ja ein antikes Notenblatt, auch wenn man über die Musiktheorie der Antike recht gut Bescheid weiß, weil verschiedene Autoren darüber geschrieben haben. Nun, es gibt tatsächlich etwas Ähnliches: Bei manchen Inschriften und auf einigen Papyri sind über dem Text z. B. eines Hymnos oder einiger Tragödienverse noch andere Zeichen vorhanden, die ein bisschen an Buchstaben erinnern. Es gab also in der Antike, obgleich Musik normalerweise mündlich weitergegeben wurde, durchaus eine Notenschrift. Sie war aber nicht einheitlich, sondern für die Singstimme anders als für die instrumentale Begleitung. Es ist für die Forscher nicht immer leicht, diese Notenschriften zu deuten, vor allem, weil selten ein ganzes Musikstück erhalten ist. Oft hat man nur Fragmente, also Bruchstücke, deren Deutung sehr schwierig ist. Manchmal gelingt es wohl weitgehend zweifelsfrei, die Melodie zu finden, manchmal kommen Forscher aber auch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das sieht man am Beispiel eines Tragödienfragments aus der Tragödie Orestes des Euripides, zu dem auch Musiknotation überliefert ist. Auf wessen Forschungsergebnisse das spanische Ensemble Atrium Musicae zurückgegriffen hat, weiß ich nicht. Ihre Interpretation des Fragments klingt aber ganz anders als die der Gruppe um den britischen Forscher Armand D'Angour. Auf der rechten Seite befinden sich zwei Links zu den Videos. Im ersten Video ist nur die Musik zu hören. Im zweiten Video erklärt D'Angour auch ein wenig (auf Englisch), was es mit dem Fragment auf sich hat, nämlich dass es sich um ein Fragment aus Euripides' Orestes auf einem Stück Papyrus handle, dass die Notenschrift über dem Text stehe und dass Orestes an dieser Stelle im Stück von den Erinnyen (lat. Furien), den Rachegöttinnen, gejagt werde.

Aus der römischen Antike sind leider nur wenige Musikfragmente überliefert, was sehr schade ist, denn die römischen Komödien enthalten viele Gesangspartien. Ich kenne nur ein Fragment, nämlich die Melodie zu einem Vers aus der Komödie Hecyra des Dichters Terenz. Das Beispiel findet ihr ebenfalls rechts unter den Links zu den Videos. Ich habe mich, da ich das Original nicht einsehen konnte, an die eine Interpretation gehalten, die ich kenne. Da aber die Musiker des Atrium Musicae zwar – meines Erachtens – gute Musiker, aber keine Altertumswissenschaftler sind, haben sie das Versmaß nicht berücksichtigt. Ich habe daher den Versuch gewagt, das Ganze selbst noch einmal unter Berücksichtigung des Versmaßes einzusingen. Bitte beachtet, dass die Grundlage für die Interpretation des Fragments damit sehr dünn geworden ist. Dennoch wollte ich euch wenigstens auch an einem kleinen Stückchen Musik aus der römischen Antike teilhaben lassen, selbst wenn daran manche Schwierigkeit deutlicher wird als die Musik selbst.

Kostüme

Die Schauspieler und auch der Chor trugen Kostüme, die sie ganz verhüllten: Die Gewänder waren lang und hatten lange Ärmel, dazu trugen die Tragödienschauspieler bestimmte Stiefel, die sogenannten Kothurne, und eine Maske inklusive Perücke. Der Schuh, der von den Komödienschauspielern getragen wurde, wird üblicherweise mit dem lateinischen Wort Soccus bezeichnet, womit einfach ein niedriger Schuh gemeint ist.

Auf dem Bild rechts, das ein Mosaik aus der Casa del Poeta Tragico (dt. »Haus des Tragödiendichters«) in Pompeji zeigt, sieht man vieles davon sehr gut: Hier ist eine Schauspieltruppe zu sehen, deren Mitglieder teilweise kostümiert sind. Zwei Masken liegen in einer Kiste, eine dritte auf dem Tisch. Auch ein Flötenspieler ist abgebildet; aber dazu habt ihr ja vielleicht schon im Abschnitt »Musik« einiges erfahren.

Die komplette Verhüllung durch das Kostüm war natürlich nützlich, weil etwa auch die Frauenrollen von Männern gespielt wurden, hatte ihren Grund aber vermutich auch in dem Kult, in dessen Rahmen das Theaterspiel aufgeführt wurde.

Die Masken waren aus leichtem, aber eben auch vergänglichem Material wie Holz, Gips, Leinen und Wolle. Deslhalb sind leider keine Originalmasken erhalten, aber es gibt viele Abbildungen davon, und noch heute kann man in Griechenland Darstellungen von Theatermasken als Souvenir kaufen. Der Mund der Maske war zunächst nur leicht geöffnet, im Laufe der Zeit dann immer stärker. Masken mit weit aufgerissenem Mund gab es erst seit ca. 300 v. Chr. Zur Zeit der drei großen Tragödiendichter Aischylos, Sophokles und Euripides waren sie also noch nicht so ausdrucksvoll, später sahen sie deutlich lebhafter aus. So werden sie auch vielfach heute noch dargestellt, etwa in den Reliefs am Staatstheater Mainz : Auf einem ist eine tragische Maske dargestellt, auf dem anderen eine komische; bei beiden ist der Mund sehr weit geöffnet. Unter den Masken ist hier übrigens jeweils etwas abgebildet, das auf den Ursprung des Theaters hinweist: der mit Wein umwickelte Thyrsosstab und die Schlange sind Symbole des Gottes Dionysos.

Auch in unserem Schulgebäude befindet sich die Abbildung einer tragischen Maske. Wisst ihr, wo?

Schema eines griechischen Theaters (© Miriam Bräuer 2021).

Die drei großen griechischen Tragiker

  • Aischylos (525/4 bis 465/55 v. Chr.) ist der Älteste. Er soll 90 Tragödien geschrieben haben, 79 sind uns dem Titel nach bekannt. Erhalten sind sieben.
  • Sophokles (497/6 bis 406 v. Chr.) schrieb angeblich 113 Stücke, ihre Titel sind überliefert. Erhalten sind nur sieben Tragödien.
  • Euripides (zwischen 485 und 480 bis 406 v. Chr.), der Jüngste der drei, verfasste wohl an die 90 Tragödien. Erhalten sind 18 und eine Tragödie, die nich von ihm stammt, sondern nur unter seinem Namen überliefert wurde.

Es ist schade, dass so wenig überliefert ist. Übrigens galten diese drei Tragiker schon zu Lebzeiten als die besten: Der Komödiendichter Aristophanes (Mitte des 5. Jh. v. Chr. bis nach 388) schrieb, nachdem sie alle gestorben waren, eine Komödie (die Frösche), in der der Gott Dionysos einen dieser Tragödiendichter wieder aus der Unterwelt holen will, weil er die Tragödien der noch lebenden Dichter zu schlecht findet. Von Aristophanes sind uns elf Komödien erhalten.

Die römischen Komödiendichter

Die für uns wichtigsten Vertreter der römischen Komödie heißen Plautus (um 250 bis 184 v. Chr.) und Terenz (195 od. 185 bis 159/8). Plautus' Komödien sind die frühesten uns erhaltenen literarischen Werke in lateinischer Sprache. Die Dichter waren übrigens beide keine gebürtigen Römer: Plautus stammte aus Umbrien (in der Mitte Italiens). Von ihm sind 21 Komödien überliefert. Terenz kam, wie sein Cognomen Afer schon sagt, aus Afrika. Von ihm haben wir sechs Komödien.

I. Euripides, Orestes, Vers 338–344 (Papyrus Wien G 2315)

Hier findet ihr die Interpretation des Musikfragments durch das Ensemble Atrium Musicae (Leitung: Gregorio Paniagua): https://www.youtube.com/watch?v=YUPGpX_X2tA
Hier findet ihr die Interpretation des Musikfragments durch eine Gruppe um den Forscher Armand D'Angour: https://youtu.be/Dc97mwbbMds?t=752
Der Link sollte euch zu einem bestimmten Punkt im Video bringen (12:32 Minuten). Wenn das nicht klappt, seht euch gerne das ganze Video an (es ist wirklich sehr interessant, aber man benötigt fortgeschrittene Englischkenntnisse) oder springt einfach selbst bis zur angegebenen Zeit.

II. Terenz, Hecyra 861.

  1. at tu ecastor morem antiquom atque ingenium obtines,
  2. Aber du hast, beim Castor, deine frühere Art noch und das dir eigene geistige Talent,
  3. ut unus hominum homo te vivat numquam quisquam blandior.
  4. so dass niemals irgendein Mensch auf der Welt leben könnte, der ein größerer Schmeichler wäre als du.
(Übertragung: Miriam Bräuer)
Terenz, Hecyra 861. Melodie nach der Interpretation des Musikfragments durch das Ensemble Atrium Musicae (Leitung: Gregorio Paniagua).
Die Audiodatei hier wurde unter Anpassung des Rhythmus dieses Arrangements ans lateinische Metrum erstellt und der Text eingesungen von Miriam Bräuer.
MAN mosaici da Pompei attori 1040619
Mosaik aus der Casa del Poeta Tragico in Pompeji, Lalupa, MAN mosaici da Pompei attori 1040619, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons. (Das Bild wurde nicht verändert.)
Schließen Theater in Thorikos
Das Theater in Thorikos, Montage aus drei Bildern (© Miriam Bräuer 2016).
Schließen Theater in Messene
Das Theater in Messene (© Miriam Bräuer 2016).
Schließen Prohedrie im Dionysostheater in Athen
Die Prohedrie im Dionysostheater in Athen (© Miriam Bräuer 2015).
Schließen Theater in Epidauros mit Parodos-Tor
Das Theater in Epidauros mit Parodos-Tor (© Miriam Bräuer 2015).
Schließen Das Theater in Syrakus
Das Theater in Syrakus. Der überwölbte Zugang zum Theater ist rechts im Bild zu erkennen. (© Miriam Bräuer 2001).
Schließen Römisches Theater in Mainz, Unterbau der Cavea
Das römische Theater in Mainz, Unterbau der Cavea (© Miriam Bräuer 2021).
Schließen Römisches Theater in Mainz, Andeutung des Skenengebäudes durch gelbe Pflastersteine am Südbahnhof
Das römische Theater in Mainz, Andeutung des Grundrisses des Skenengebäudes durch gelbe Pflastersteine auf den Bahnsteigen (© Miriam Bräuer 2021).
Schließen Staatstheater Mainz, Darstellungen antiker Theatermasken am Gebäude
Das Staatstheater in Mainz, Darstellungen antiker Theatermasken am Gebäude (© Miriam Bräuer 2021).
Schließen Staatstheater Mainz, Darstellungen antiker Musikinstrumente am Gebäude
Das Staatstheater in Mainz, Darstellungen antiker Musikinstrumente am Gebäude (© Miriam Bräuer 2021).